Das SG Berlin hat entschieden, dass das Jobcenter nicht
verpflichtet ist, Hartz IV-Leistungsempfängern ein Darlehen für die
Kosten einer künstlichen Befruchtung zu gewähren.
Die 1978 geborene Klägerin und ihr 1984 geborener Ehemann aus Berlin Marzahn-Hellersdorf beziehen seit 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Ihre Krankenkasse erklärte sich bereit, 50% der Kosten für maximal drei Versuche einer künstlichen Befruchtung zu übernehmen. Die Kosten jeder einzelnen künstlichen Befruchtung betragen dabei ungefähr 4.100 Euro. Die Kläger waren nicht in der Lage, den auf sie entfallenden Kostenanteil aufzubringen. Sie beantragten deshalb im September 2012 beim beklagten Jobcenter Berlin Marzahn-Hellersdorf die Gewährung eines Darlehens in Höhe von rund 2.200 Euro. Gegen die Ablehnung ihres Antrags erhoben sie im Dezember 2012 Klage beim SG Berlin. Nach Meinung der Kläger widerspreche es dem Grundgesetz, wenn sozialleistungsberechtigte Paare keine Kinder bekommen können, nur weil sie ihren Anteil an den Kosten einer künstlichen Befruchtung nicht aufbringen können. In der freien Wirtschaft bekämen sie kein Darlehen. Sie seien deshalb auf ein Darlehen des Jobcenters angewiesen, um die gleichen Rechte zur Teilhabe an der Gesellschaft zu haben wie Nichtleistungsbezieher.
Das SG Berlin hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Sozialgerichts setzt die Gewährung eines Darlehens voraus, dass im Einzelfall ein Bedarf, der eigentlich vom Regelbedarf umfasst wird, nicht gedeckt werden kann, obwohl er unabweisbar ist. Eine künstliche Befruchtung gehöre jedoch schon nicht zum Regelbedarf im Sinne des Gesetzes. Neben Dingen wie Ernährung und Kleidung umfasse der Regelbedarf zwar auch die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Allerdings seien, anders als die Kläger meinen, für Leistungsbezieher nicht die gleichen Teilhaberechte wie für Nichtleistungsbezieher zu schaffen. Vielmehr seien die Teilhaberechte nach dem Gesetz nur "in vertretbarem Umfang" zu verwirklichen. Dieser vertretbare Umfang werde bei einer künstlichen Befruchtung angesichts der Kosten von über 4.000 Euro für eine Behandlung überschritten.
Der Bedarf sei auch nicht unabweisbar, denn es handele sich nicht um eine medizinisch notwendige Behandlung. Das BVerfG habe bereits entschieden, dass die im Gesetz vorgesehene Beschränkung der Kostenübernahme durch die Krankenkassen Grundrechte nicht verletze (BVerfG, Beschl. v. 27.02.2009 - 1 BvR 2982/07). Aus der in Art. 6 GG verankerten staatlichen Pflicht zum Schutz von Ehe und Familie folge keine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Entstehung einer Familie durch künstliche Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern. Nichts anderes könne für den Beklagten als Träger der Grundsicherungsleistungen gelten. Im übrigen sei der Bedarf auch nicht unaufschiebbar. Die Krankenkassen würden die Kosten für eine künstliche Befruchtung nämlich bis zum 40. Lebensjahr für weibliche Versicherte übernehmen. Bei der erstmaligen Antragstellung hatten die Kläger damit mehr als sechs Jahre Zeit, um die begehrten Leistungen anzusparen, und auch heute bleiben noch mehr als drei Jahre.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Kläger können sie mit der Berufung zum LSG Berlin-Brandenburg anfechten.
Quelle: Pressemitteilung des SG Berlin v. 22.09.2015 - juris
juris
Die 1978 geborene Klägerin und ihr 1984 geborener Ehemann aus Berlin Marzahn-Hellersdorf beziehen seit 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Ihre Krankenkasse erklärte sich bereit, 50% der Kosten für maximal drei Versuche einer künstlichen Befruchtung zu übernehmen. Die Kosten jeder einzelnen künstlichen Befruchtung betragen dabei ungefähr 4.100 Euro. Die Kläger waren nicht in der Lage, den auf sie entfallenden Kostenanteil aufzubringen. Sie beantragten deshalb im September 2012 beim beklagten Jobcenter Berlin Marzahn-Hellersdorf die Gewährung eines Darlehens in Höhe von rund 2.200 Euro. Gegen die Ablehnung ihres Antrags erhoben sie im Dezember 2012 Klage beim SG Berlin. Nach Meinung der Kläger widerspreche es dem Grundgesetz, wenn sozialleistungsberechtigte Paare keine Kinder bekommen können, nur weil sie ihren Anteil an den Kosten einer künstlichen Befruchtung nicht aufbringen können. In der freien Wirtschaft bekämen sie kein Darlehen. Sie seien deshalb auf ein Darlehen des Jobcenters angewiesen, um die gleichen Rechte zur Teilhabe an der Gesellschaft zu haben wie Nichtleistungsbezieher.
Das SG Berlin hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Sozialgerichts setzt die Gewährung eines Darlehens voraus, dass im Einzelfall ein Bedarf, der eigentlich vom Regelbedarf umfasst wird, nicht gedeckt werden kann, obwohl er unabweisbar ist. Eine künstliche Befruchtung gehöre jedoch schon nicht zum Regelbedarf im Sinne des Gesetzes. Neben Dingen wie Ernährung und Kleidung umfasse der Regelbedarf zwar auch die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Allerdings seien, anders als die Kläger meinen, für Leistungsbezieher nicht die gleichen Teilhaberechte wie für Nichtleistungsbezieher zu schaffen. Vielmehr seien die Teilhaberechte nach dem Gesetz nur "in vertretbarem Umfang" zu verwirklichen. Dieser vertretbare Umfang werde bei einer künstlichen Befruchtung angesichts der Kosten von über 4.000 Euro für eine Behandlung überschritten.
Der Bedarf sei auch nicht unabweisbar, denn es handele sich nicht um eine medizinisch notwendige Behandlung. Das BVerfG habe bereits entschieden, dass die im Gesetz vorgesehene Beschränkung der Kostenübernahme durch die Krankenkassen Grundrechte nicht verletze (BVerfG, Beschl. v. 27.02.2009 - 1 BvR 2982/07). Aus der in Art. 6 GG verankerten staatlichen Pflicht zum Schutz von Ehe und Familie folge keine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Entstehung einer Familie durch künstliche Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern. Nichts anderes könne für den Beklagten als Träger der Grundsicherungsleistungen gelten. Im übrigen sei der Bedarf auch nicht unaufschiebbar. Die Krankenkassen würden die Kosten für eine künstliche Befruchtung nämlich bis zum 40. Lebensjahr für weibliche Versicherte übernehmen. Bei der erstmaligen Antragstellung hatten die Kläger damit mehr als sechs Jahre Zeit, um die begehrten Leistungen anzusparen, und auch heute bleiben noch mehr als drei Jahre.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Kläger können sie mit der Berufung zum LSG Berlin-Brandenburg anfechten.
Quelle: Pressemitteilung des SG Berlin v. 22.09.2015 - juris
Gericht/Institution: | SG Berlin |
Erscheinungsdatum: | 22.09.2015 |
Entscheidungsdatum: | 14.09.2015 |
Aktenzeichen: | S 127 AS 32141/12 |
Kommentare
Kommentar veröffentlichen