Doppelbelastung durch Erbschaft- und Einkommensteuer bei Vererbung von Zinsansprüchen ist verfassungsgemäß
Mit heute veröffentlichtem
Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen die
Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von
Zinsansprüchen mangels Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung
angenommen. Aufgrund der Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des
Gesetzgebers ist es mit dem Gebot der steuerlichen Lastengleichheit
(Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, eine später entstehende Einkommensteuer
bei der Berechnung der Erbschaftsteuer in dieser Konstellation
unberücksichtigt zu lassen.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ist Alleinerbe seines im Jahr
2001 verstorbenen Bruders. Zum Nachlass von rund 15 Mio. DM gehörten
auch bereits aufgelaufene, aber erst im Jahr 2002 fällige Zinsansprüche
in Höhe von rund 190.000 DM. Im Jahr 2002 wurde hierfür bei dem
Beschwerdeführer Einkommensteuer auf Kapitalerträge von (anteilig) rund
50.000 € festgesetzt. Die Erbschaftsteuer setzte das Finanzamt auf rund
4,8 Mio. DM fest. Die Zinsansprüche wurden vom Finanzamt bei der
Bestimmung des erbschaftsteuerlichen Gesamtwerts des Nachlasses mit
ihrem Nennwert eingestellt. Die auf den Zinsansprüchen ruhende Belastung
mit sogenannter latenter Einkommensteuer wurde hierbei nicht
berücksichtigt. Das Begehren des Beschwerdeführers, die Erbschaftsteuer
wegen dieser latenten Einkommensteuer um rund 16.000 € herabzusetzen,
blieb im Einspruchsverfahren und vor den Finanzgerichten ohne Erfolg.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
1. Die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG wird
durch die hier erfolgte Kumulation von Einkommen- und Erbschaftsteuer
zu Lasten des Beschwerdeführers nicht verletzt. Bei der hier
vorliegenden Gesamtsteuerbelastung von rund 4,8 Mio. DM und einem
Nachlasswert von mindestens 15 Mio. DM kann von ökonomischer
Sinnlosigkeit des Vererbens keine Rede sein. Auf die vom
Beschwerdeführer als übermäßig gerügte Steuerbelastung allein der
Stückzinsansprüche könnte es nur bei einer völlig atypischen separaten
Vererbung der Zinserträge ankommen, die der Erblasser durch
entsprechende Gestaltung problemlos vermeiden kann. Angesichts seiner
Typisierungsbefugnis muss der Gesetzgeber für diesen Fall keine
besondere Regelung vorsehen.
2. Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, wenn
die Einkommensteuer, die im Jahr nach dem Erbfall auf die bis zum
Todeszeitpunkt entstandenen Zinsansprüche anfällt, bei der Festsetzung
der Erbschaftsteuer nicht berücksichtigt wird. Eine generelle Aussage
zum Verhältnis von Erbschaft- und Einkommensteuer und dem Problem der
latenten Einkommensteuerbelastung ist damit nicht getroffen. Denn
jedenfalls bei zum Nachlass gehörenden Zinsansprüchen ist es wegen der
Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des Gesetzgebers
gerechtfertigt, eine später entstehende Einkommensteuer bei der
Berechnung der Erbschaftsteuer unberücksichtigt zu lassen.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat den
Gesichtspunkt der Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit vielfach als
Rechtfertigungsgrund für eine Typisierung und Pauschalierung anerkannt.
Steuergesetze betreffen in der Regel Massenvorgänge des
Wirtschaftslebens. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an
die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei
in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falls
vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die
Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen.
Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten
Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit
der steuerlichen Belastung stehen. Der Gesetzgeber darf außerdem für
eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen,
sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zu Grunde
legen.
b) Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Bei der Bestimmung des Nachlasswerts werden nach
der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
Einkommensteuerverbindlichkeiten dann als Nachlassverbindlichkeiten
berücksichtigt, wenn noch der Erblasser sämtliche
einkommensteuerrelevanten Tatbestände verwirklicht hat. Damit orientiert
sich der Gesetzgeber an dem typischen Fall, wonach der Erblasser das
zum Nachlass gehörende Vermögen bereits versteuert hat oder aber das
Entstehen seiner Einkommensteuerschuld nur noch vom Ablauf des
Veranlagungszeitraums abhängt. Verzichtet der Gesetzgeber auf eine
Sonderregelung für den speziellen Fall, dass zum Nachlass Forderungen
gehören, die erst mit ihrem späteren Zufluss beim Erben
einkommensteuerpflichtig werden, ist dies im Ausgangspunkt eine jeder
gesetzlichen Regelung immanente Verallgemeinerung.
Durch diese Verallgemeinerung wird eine Entlastung
des Rechtsanwenders erreicht, weil es im Rahmen der
Erbschaftsteuerfestsetzung nicht notwendig ist, Berechnungen zu der
künftigen Einkommensteuerbelastung anzustellen. Eine solche Berechnung
birgt gerade in Fällen, in denen es nicht mehr der Erblasser ist, der
sämtliche einkommensteuerrelevanten Tatbestände erfüllt, nicht zu
vernachlässigende Schwierigkeiten. Zum Todestag des Erblassers steht die
Einkommensteuer noch nicht fest, weil sie von künftigen Ereignissen wie
der Höhe der weiteren Einkünfte des Erben abhängt. Bleiben die
Einkünfte unter dem Freibetrag, entfällt eine Einkommensteuerbelastung
sogar ganz.
Die Vereinfachungseffekte stehen - jedenfalls bei
den hier ausschließlich zu beurteilenden Zinsansprüchen - im rechten
Verhältnis zu der hiermit notwendig verbundenen Ungleichheit der
steuerlichen Belastung. Zwar zeigt der Fall des Beschwerdeführers, dass
es bei absolut sehr hohen Erbschaften mit einem großen Anteil an
Wertpapieren und sich hieraus ergebenden Zinsansprüchen zu einer für
sich genommen hohen Mehrbelastung kommen kann. Bei der Beurteilung des
Maßes an Ungleichheit muss aber die Mehrbelastung in Relation zur
Gesamtbelastung gesehen werden. Diese erscheint hier - mit rund 0,65 % -
als vernachlässigbar.
Quelle: BVG Pressemitteilungen
Pressemitteilung Nr. 29/2015 vom 13. Mai 2015
Beschluss vom 07. April 2015
1 BvR 1432/10
1 BvR 1432/10
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