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BSG aktuell: Feststellung der Höchstwerte während Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der NVA - Verpflegungsgeld als Arbeitsentgelt ?


Die Revisionen der Beklagten waren im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung erfolgreich.
Die Kläger begehren im Wege der Kombination einer Anfechtungs- und zweier Verpflichtungsklagen jeweils allein die Aufhebung bestandskräftiger Feststellungen der Höchstwerte während Zeiten der Zugehörigkeit zu Sonderversorgungssystemen erzielter Arbeitsentgelte und die Berücksichtigung weiterer Entgelte. Verwaltungsakte zu den Voraussetzungen besonderer Entgeltgrenzen sind von diesem Streitgegenstand nicht erfasst.
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des vor ihm für das Recht der Rentenüberleitung zuständigen 4. Senats (BSG, Urt. v. 23.08.2007 - B 4 RS 4/06 R) an. Hiernach bestimmt sich der Begriff des Arbeitsentgelts i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach § 14 SGB IV. Kann im ersten Prüfungsschritt das Vorliegen von Arbeitsentgelt in diesem Sinne bejaht werden, ist im zweiten festzustellen, ob sich auf der Grundlage von § 17 SGB IV i.V.m. § 1 der ArEV vom 18.12.1984 (BGBl I, 1642) ausnahmsweise ein Ausschluss ergibt. Dieser kommt vorliegend allein dann in Betracht, wenn u.a. "Zulagen, Zuschüsse und ähnliche Einnahmen" "zusätzlich" zu Löhnen oder Gehältern gezahlt werden und lohnsteuerfrei sind. Nur wenn daher kumulativ beide Voraussetzungen erfüllt sind, besteht ausnahmsweise Beitragsfreiheit, während umgekehrt das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes logisch und rechtlich nicht allein im Blick auf die Steuerfreiheit von Einnahmen bejaht werden kann. Soweit es insofern auf Vorschriften des Steuerrechts ankommt, ist das am 01.08.1991 – dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG – geltende Steuerrecht maßgeblich. Hiervon gehen jeweils zutreffend auch die angegriffenen Entscheidungen aus. Allerdings erfordert die Anwendung bundesrechtlicher Maßstabsnormen unter Berücksichtigung der genannten Prüfungsschritte die vollumfängliche Ermittlung und Feststellung des einschlägigen Sachverhalts durch die Tatsachengerichte. Hierzu gehört neben der Feststellung der Zahlungsmodalitäten im Einzelnen (vgl. etwa BSG, Urt. v. 07.05.2014 - B 12 R 18/11 R) auch die Feststellung und exakte zeitliche Zuordnung desjenigen DDR-Rechts, aus dem sich der Sinn der in Frage stehenden Zuflüsse jeweils ergibt (vgl BSG, Urt. v. 23.08.2007 - B 4 RS 4/06 R Rn. 29). Dessen abstrakt-generelle Regelungen dienen insofern – nicht anders als bei der Bestimmung von Zeiten der Zugehörigkeit nach § 5 AAÜG (BSG, Urt. v. 18.10.2007 - B 4 RS 28/07 R Rn. 17ff.) als "generelle Anknüpfungstatsachen".
Feststellungen zu den Zahlungsmodalitäten können im sozialgerichtlichen Verfahren nicht durch den Hinweis auf die fehlende Streitigkeit tatsächlicher Umstände zwischen den Parteien ersetzt werden. Eine Heranziehung von DDR-Recht fehlt in den angegriffenen Urteilen entweder vollständig oder beschränkt sich ohne zeitliche und sachliche Zuordnung auf eine nur selektive Benennung möglicherweise einschlägiger Regelungen, um aus ihnen generelle Schlussfolgerungen zu ziehen. Insbesondere kommt jedoch steuerrechtlich eine Bestätigung der abschließenden Qualifizierung von Zahlungen als Einkommen durch die Berufungsgerichte erst dann in Betracht, wenn abschließend feststeht, dass sich diese nicht als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen darstellen und auch kein Tatbestand der Steuerfreiheit im bundesdeutschen Recht erfüllt ist.
Im Rahmen einer erneuten bundesrechtlichen Würdigung werden die Berufungsgerichte in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht zu beachten haben, dass sich der Aufhebungsanspruch der Kläger nach § 44 Abs. 2 SGB X richtet, weil sich Abs. 1 der Norm nur auf solche bindenden Verwaltungsakte bezieht, die unmittelbar einen Anspruch auf Sozialleistungen betreffen (BSG, Urt. v. 29.05.1991 - 9a/9 RVs 11/89).
In der Streitsache B 5 RS 1/14 R wird das Landessozialgericht prozessual zusätzlich zu berücksichtigen haben, dass das mit der Berufung angegriffene Urteil des Sozialgerichts über das Klagebegehren hinausgeht, nachdem die Aufhebungsablehnung während des Klageverfahrens ausdrücklich nicht mehr in vollem Umfang angegriffen worden ist. In den Streitsache B 5 RS 2/14 R und B 5 RS 3/14 R ergibt sich jeweils aus den Gründen der angegriffenen Entscheidungen noch hinreichend deutlich, dass das Landessozialgericht entgegen dem zu weit gefassten Tenor in Wahrheit nur noch über den im Berufungsverfahren maßgeblichen Streitgegenstand entschieden hat. Im Rechtsstreit B 5 RS 2/13 R begehrt der Kläger schließlich nicht nur die "Abänderung", sondern die vollständige Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts hinsichtlich des allein streitigen Verpflegungsgeldes.
 7. B 5 RS 2/13 R
SG Leipzig - S 27 RS 1071/09
LSG Chemnitz - L 4 RS 197/12 juris

Kommentare

  1. Nach der Entscheidung des BSG am 30.10.2014 ist für mich nach wie vor unklar, ob gezahltes Verpflegungsgeld während der NVA-Zeit nun als Arbeitsentgelt anerkannt wird und somit Einfluss auf die Rentenhöhe hat , oder nicht?

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