Direkt zum Hauptbereich

Können Tilgungsleistungen vom Jobcenter für selbst bewohntes Wohneigentum im Rahmen der Kosten der Unterkunft übernommen werden?

Zur Finanzierung eines Wohnhauses von angemessener Größe wurde ein Darlehen aufgenommen. Es werden nur Zinsleistungen erbracht, jedoch keine Tilgung. Welche Zinsleistungen können bei der Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden?

Bei den Finanzierungkosten (Zinsen und Tilgung) muss der Grundsatz – keine Vermögensbildung zulasten der Allgemeinheit - nach BSG vom 18.06.2008 –B 14/11 b AS 67/96 R - dann durchbrochen werden, wenn eine Selbsthilfe in Form einer Tilgungsaussetzung oder –streckung nicht möglich ist, ohne (Teil-) Übernahme der Tilgungsraten ein Verlust der Immobilie droht und die Schuldzinsen plus Tilgungsraten die Kaltmiete für eine nach Quadratmeterzahl, Ausstattung und Wohnlage angemessene Mietwohnung nicht übersteigen.

Quelle: Wissensdatenbank der BA § 22 SGB II , geändert am 17.08.2011

http://wdbfi.sgb-2.de/

Anmerkung: Hinweise zur Rechtsprechung zur Übernahme von Tilgungsraten im rahmen des § 22 SGB II.

1. Sächsisches Landessozialgericht Urteil vom 05.05.2011, - L 2 AS 803/09 -

Tilgungsraten für ein Haus sind als Kosten der Unterkunft zu übernehmen, wenn sie unvermeindlich und angemessen sind.

2. SG Lüneburg Beschluss vom 19.01.2010, -  S 90 AS 1742/09 ER -

Ist die Erbringung von Tilgungsleistungen jedoch notwendig, um das Wohneigentum weiter nutzen zu können und wäre ohne Fortführung der Tilgung eine Aufgabe der Wohnung unvermeidlich, so hat nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten, denn letztlich ist auch in der Miete, die vom Grundsicherungsträger zu übernehmen ist, ein Finanzierungs- oder Abschreibungsanteil enthalten.

3. Hessisches Landessozialgericht Beschluss vom 12.03.2010, -  L 6 AS 516/09 B ER -

Tilgungsleistungen einer selbstgenutzten angemessenen Immobilie sind vom Grundsicherungsträger bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu übernehmen, wenn der Hilfebedürftige ansonsten seine Wohnung aufgeben müsste.

4. Sind Hilfebedürftige nach dem SGB II gezwungen ohne die Übernahme der Tilgungsraten ihr Wohneigentum aufzugeben, kommt eine Übernahme der Tilgungsraten bis zur Höhe der abstrakt angemessenen Kosten einer Mietwohnung in Betracht (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Beschluss v. 14.07.2009, -  L 13 AS 230/09 B ER- ).

5. Das Bayerische LSG hat zu der Frage, ab wann von einer weitestgehenden Finanzierung/Abzahlung des selbst genutzten Wohneigentumes ausgegangen werden kann, entschieden, dass eine Übernahme von Tilgungsleistungen nur im Ausnahmefall möglich sei (Bay. LSG v. 10.10.2008 – L 16 B 449/08 AS ER).


6. Nach der Logik des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II können auch nur die tatsächlich anfallenden Schuldzinsen als KdU geltend gemacht werden (zur lediglich ausnahmsweise in besonderen Härtefällen möglichen Übernahme auch von Tilgungsleistungen als KdU vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 13 RdNr 27 ff, erwähnt in BSG B 14 AS 74/08 R, Urteil v. 18.02.2010 , Rz. 17 ).


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.


Kommentare

  1. Guten Tag Herr Kollege Zimmermann,

    im Rahmen der letzten SGB II-Novelle u.a. zu § 22 SGB II wurde - ich meine vom Bundesrat - vorgeschlagen, in § 22 SGB II aufzunehmen, dass Tilgungsleistungen bei selbstgenutztem Wohneigentum nicht zu übernehmen sind. Dieser Vorschlag wurde letztlich nicht aufgegriffen.

    Nun suche ich verzweifelt dieses Dokument, kann es aber partout nicht mehr finden. Habe Sie eine Link bzw. die Drs.-Nr. parat?

    Mit Gruß aus Kiel,

    Helge Hildebrandt

    AntwortenLöschen
  2. Frage erledigt, Dokumente gefunden:

    Drucksache 17/3958

    Drucksache 17/3982

    Gruß HH

    AntwortenLöschen
  3. mal schauen ob ein Besitzer einer Wohnung es bis zum Verfassungsgericht schafft.
    Gleichbehandlung von Mietern und Eigentümern .
    Gleichbehandlungsgrundsatz Art 3 GG
    Egal was da sonst so in Szene gesetzt wird von den Gerichten
    um den Gerichtsweg so lange zu gestalten bis vorher der Kläger
    wirtschaftlich in die Knie gegangen ist.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nov.2014 , nach über 4 Jahren durch 1. und 2. Instanz
      bin ich über die Nichtzulassungsbeschwerde im September14 beim BSG- Kassel angekommen. Total sind nun mehr als 5 Jahre vergangen.
      Da ich alle Kriterien des Urteils vom 08.06.2008 B 14 11b AS 67/06 R erfülle bin ich gespannt wie es hier ausgeht.
      Sollte man wieder mich zurückweisen ist die Tür nach Karlsruhe
      offen und dann ist Schluß mit Einzelfallentscheidungen.

      Löschen
    2. Hoffentlich haben Sie bald eine Antwort und veröffenlichen Diese dann auch, da es mir ähnlich geht.(habe das Urteil nachgelesen)
      Viel Erfolg

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist