Direkt zum Hauptbereich

Hat der Leistungsträger Leistungen nach dem SGB II bestandskräftig durch Verwaltungsakt als Darlehen bewilligt, kann er zur Durchsetzung der Rückzahlungspflicht grundsätzlich mittels Leistungsbescheid vorgehen.

§ 23 Abs. 1 S. 3 SGB II a. F. , § 607 BGB

Sozialgericht Fulda Urteil vom 22.06.2011, - S 10 AS 302/08 ,nachgehend Hessisches Landessozialgericht - L 6 AS 388/11 -


Hat der Leistungsträger Leistungen nach dem SGB II bestandskräftig durch Verwaltungsakt als Darlehen bewilligt, kann er zur Durchsetzung der Rückzahlungspflicht grundsätzlich mittels Leistungsbescheid vorgehen. Rechtsgrundlage eines solchen Leistungsbescheides ist der bestandskräftige Bewilligungsbescheid, mit welchem ursprünglich darlehensweise Leistungen gewährt wurden und welcher gleichzeitig auch die Rückzahlungsverpflichtung und die Fälligkeit des Darlehens konkretisiert (Anschluss an: VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 24.07.1996 - 6 S 2522/95 sowie OVG NRW, Beschl. vom 06.09.2000 - 16 B 941/00).


Der Darlehensbescheid kann allerdings nur dann eine geeignete und ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Durchsetzung der Rückzahlungspflicht mittels Leistungsbescheid darstellen, wenn bereits in der Ausgangsentscheidung zumindest Modalitäten betreffend die Voraussetzungen zur Kündigung des Darlehens und die Art und Weise der Rückzahlung festgelegt wurden, soweit hierzu im SGB II keine gesetzliche Regelung existiert.


https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144209&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=


Anmerkung: Die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide folgt daraus, dass diese keine ausreichende Rechtsgrundlage zur Rückforderung der  darlehensweise gewährten Leistungen darstellen.


Insoweit bleibt zunächst festzuhalten, dass keine Bedenken dagegen bestehen , dass der Leistungsträger in den Fällen, in denen Leistungen nach dem SGB II durch Verwaltungsakt darlehensweise bewilligt wurden, zur Geltendmachung der Rückzahlungspflicht mittels Leistungsbescheid vorgehen kann und nicht auf die Alternative der Leistungsklage angewiesen ist (vgl. zur Regelungsform durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag Lang/Blüggel in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 23, Rn. 56 ff.).


In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Sozialhilfe - vergleichbare sozialgerichtliche Entscheidungen lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer, soweit ersichtlich, nicht vor - wird insoweit zur Begründung angeführt, dass Rechtsgrundlage eines solchen Leistungsbescheides der bestandskräftige Bewilligungsbescheid sei, mit welchem ursprünglich darlehensweise Leistungen gewährt wurden. Denn infolge der Bestandskraft des Ausgangsbescheides stehe zwischen den Beteiligten fest, dass die Hilfe auch ohne zusätzlichen Vertrag als Darlehen habe gewährt werden dürfen. Damit werde gleichzeitig auch die Rückzahlungsverpflichtung, die ihren Rechtsgrund im entsprechend anwendbaren § 607 BGB habe, und die Fälligkeit des Darlehens durch Verwaltungsakt, also durch eine einseitige hoheitliche Regelung konkretisiert. In einem solchen Fall beständen keine Bedenken dagegen, dass der Leistungsträger die Rückzahlungspflicht ebenfalls durch eine hoheitliche Maßnahme, nämlich durch Leistungsbescheid geltend mache und nicht im Wege der Leistungsklage vorgehe, wie dies im Falle des Abschlusses eines (öffentlich-rechtlichen) Darlehensvertrages notwendig sei (VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 24.07.1996 - 6 S 2522/95; OVG NRW, Beschl. vom 06.09.2000 - 16 B 941/00; VG Berlin, Urt. vom 19.11.2008 - 37 A 73.06. Vgl. auch (ohne weitere Begründung): LSG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 15.04.2010 - L 23 SO 38/08, ).


Auf die Frage, ob die Darlehensgewährung als solche rechtmäßig gewesen sei, komme es im Falle der Bestandskraft des jeweiligen Bewilligungsbescheides nicht mehr an (VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 24.07.1996 - 6 S 2522/95), wobei allerdings vereinzelt die Auffassung vertreten wird, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Darlehensbewilligung bzw. die Frage, ob das Darlehen nachträglich in einen Zuschuss umzuwandeln sei, auf der Rechtsfolgenseite im Zusammenhang mit dem Erlass des Rückforderungsbescheides Bedeutung erlange, da der Leistungsträger insoweit eine Ermessensentscheidung zu treffen habe (VG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 17.05.2002 - 3 K 452/01; VG Ansbach, Urt. vom 20.04.2005 - AN 15 K 04.02227,).


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist