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Der erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich bereits aus der Erwägung, dass Leistungsbeziehern nach dem SGB II die ihnen zustehenden existenzsichernden Leistungen nicht länger, d.h. bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens, vorenthalten werden können. Das gilt auch mit Blick auf die Kosten der Unterkunft.

Sozialgericht Lüneburg Beschluss vom 16.05.2011, -    S 45 AS 183/11 ER -

 Der Zweck des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegt darin, die existenziell notwendigen Bedarfe der Unterkunft und Heizung sicherzustellen. Dem Antragsteller kann nicht zugemutet werden, zunächst das Hauptsacheverfahren abzuwarten, in der Zwischenzeit zu geringe Mietzahlungen zu leisten und damit die Kündigung des Mietverhältnisses sowie die Räumung der Wohnung zu riskieren. Da es um die Gewährleistung des grundrechtlich verbürgten Existenzminimums geht, kann dessen Verletzung nicht durch eine nachträgliche Leistungsgewährung im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren beseitigt werden.

Es ist nicht der in der Rechtsprechung vereinzelt vertretenen Auffassung zu folgen, hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung könne ein Anordnungsgrund nur dann bejaht werden, wenn der Hilfesuchende glaubhaft macht, dass ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung unmittelbar mit einer Kündigung oder Räumungsklage zu rechnen ist (wie hier auch LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 23.02.1011 - L 9 AS 1287/10 B ER -).


Anmerkung:Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 24.02.2010,- L 7 AS 1446/09 B ER -

Auch bei niedrigen Beiträgen (hier 33,66 EUR )im Eilverfahren ist eine Kürzung von Grundsicherungsleistungen um 20 % bis zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens für Hartz IV - Empfänger unzumutbar.

Denn auch bei niedrigen Beiträgen handelt es sich nicht mehr um Bagatellbeiträge .Diese Bewertung gebietet bereits der Charakter von Grundsicherungsleistungen als Sicherung des unbedingt notwendigen soziokulturellen Existenzminimums. Der verweigerte Rechtsschutz wird nicht dadurch plausibler und erträglicher, wenn dem Antragsteller zugemutet wird, nicht an einer bestimmten Zahl von Tagen pro Monat nichts zu essen oder zu trinken, sondern an jedem Tag im Monat 10 % weniger zu essen und zu trinken. Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09; Pressemitteilung Nr 5/10) wird dieser Begründung endgültig der Boden entzogen).

Ein über Art 1 GG als Existenzminimum gewährleistetes Wohnen bedeutet nicht nur ein Dach über den Kopf t, sondern auch das Wohnen in Räumen mit einer angemessenen Raumtemperatur (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 28.05.2009, - L 7 AS 546/09 ER-).

Artikel 1 Grundgesetz gewährleistet ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das bedeutet nicht nur die Sicherung der physischen Existenz, sondern auch ein Mindestmaß an Teilhabe an gesellschaftlichem, kulturellem und politischem Leben. Dieses Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss vom Grundsicherungsträger und notfalls durch die Rechtsschutz gewährenden Instanzen eingelöst werden.


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

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