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Hartz IV: Zuschuss zur PKV nur bis Höhe halber Basistarif trotz BSG, Urteil v. 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R

Hartz IV: Zuschuss zur PKV nur bis Höhe halber Basistarif

Sozialgericht Chemnitz Beschluss vom 29.04.2011, - S 40 AS 1487/11 ER-

Jobcenter müssen die Beiträge privat krankenversicherter Hartz IV-Bezieher höchstens bis zur Hälfte des am 1.1.2009 in der Privaten Krankenversicherung eingeführten Basistarifs bezuschussen. Dies entschied das Sozialgericht Chemnitz in einem Eilverfahren.



Die aus Plauen stammende Antragstellerin begehrte die Übernahme ihrer Beiträge zur privaten Krankenversicherung (PKV) in voller Höhe von monatlich 483,48 EUR. Das Jobcenter Vogtland gewährte der Antragstellerin zunächst nur einen monatlichen Zuschuss von 131,35 EUR. Nachdem das Jobcenter im Laufe des Verfahrens einen Zuschuss in Höhe des halben Basistarifs anerkannte, lehnte das Sozialgericht den Eilantrag schließlich ab. Zur Begründung verwies es auf die Möglichkeit der Antragstellerin, in den Basistarif zu wechseln (Höchstbeitrag 2011: 575,44 EUR). Für die Dauer der Hilfebedürftigkeit kann dann nach § 12 Abs. 1c Satz 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes – VAG – eine Beitragsminderung auf die Hälfte des Basistarifs verlangt werden (287,72 EUR). Die Antragstellerin kann somit für die Dauer des Hartz IV-Bezugs selbst die Begrenzung ihrer Beiträge auf den hälftigen Basistarif erreichen. Ein Schutzbedürfnis für die Bezuschussung höherer Beiträge besteht daher nicht, so das Sozialgericht.


Bis zu einer Entscheidung des Bundessozialgerichts am 18.1.2011 – B 4 AS 108/10 R – bestand eine unklare Rechtslage für privat krankenversicherte Hartz IV-Empfänger. Im Zuge der Reformen der gesetzlichen Krankenversicherungen zum 1.1.2009 war nämlich eine Deckungslücke entstanden. Betroffen hiervon waren zum Beispiel arbeitslose Selbstständige, die sich im Rahmen ihrer früheren Tätigkeit privat krankenversichert hatten. Diese erhielten durch die Jobcenter nur einen Zuschuss in Höhe des Betrages, den die Jobcenter für gesetzlich krankenversicherte Leistungsbezieher an die Krankenkassen abzuführen hatten. Der Zuschuss lag jedoch meist deutlich unter den tatsächlichen Beiträgen. In dem vom Bundessozialgericht (BSG) entschiedenen Fall ging es um eine monatliche Beitragsbelastung von 207,39 EUR und einen vom Jobcenter geleisteten Zuschuss von 129,54 EUR. Das BSG entschied, dass die Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe zu übernehmen seien. Das Gesetz enthalte eine Rege-lungslücke, die im Wege einer Rechtsanalogie zu schließen sei.


Da der monatliche Beitrag unter der Hälfte des damaligen Basistarifs der Privaten Krankenversicherungen in Höhe von 284,81 EUR lag, ließ das BSG aber offen, ob der Zuschussbetrag der Jobcenter generell auf die Hälfte des Basistarifs zu begrenzen ist. Zu dieser offenen Frage hat sich das Sozialgericht Chemnitz nunmehr erstmals, wie ausgeführt, geäußert. Die Entscheidung ist rechtskräftig.


Martin Israng
Richter am Sozialgericht – Pressesprecher


http://www.justiz.sachsen.de/sgc/content/suche_pm.php


Anmerkung : Vgl. dazu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 01.07.2011, - L 14 AS 618/11 B ER -

Für eine volle Übernahme der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung ist die Glaubhaftmachung für einen entsprechenden höheren Bedarf erforderlich.

BSG, Urteil v. 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R

Zwar hat das Bundessozialgericht mit dem vom Antragsteller zitierten Urteil vom 18. Januar 2011 (a.a.O.) entschieden, dass § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II eine planwidrige Regelungslücke enthält, da hiernach die Höhe des Beitragssatzes für Bezieher von Arbeitslosengeld II
beschränkt ist, welches zu einer nicht gerechtfertigten "Beitragslücke" führe, die durch eine analoge Anwendung der Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II zu füllen sei, wonach für Bezieher von Arbeitslosengeld für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung ohne höhenmäßige Begrenzung übernommen wird (vgl. a.a.O. Rn. 23 ff., 34).

 Nicht ausdrücklich festgestellt hat das Bundessozialgericht, ob der SGB II-Leistungsträger, wie der Antragsteller meint, verpflichtet ist, den vollen Krankenversicherungsbeitrag im Basistarif bzw. im gegebenenfalls niedrigeren bisherigen Tarif zu übernehmen, oder, wie es § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG regelt, nur denjenigen bis zur Höhe des hälftigen
Basistarifs.

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143540&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

Kommentare

  1. Die Entscheidung ist im Ergebnis richtig. Der Leistungsberechtigte ist verpflichtet seine Kosten niedrig zu halten und nur die angemessenen Kosten einer privaten Krankenversicherung sind zu übernehmen. D.h. nur die 285 Euro sind zu übernehmen.

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